Tägliche Meditationen Sonntag 3. Juni 2018 bis Samstag 9. Juni 2018 Neunte Woche im Jahreskreis Beate Scheilen
Barmherzigkeit versus Buchstabentreue 3. Juni 2018
9. Sonntag im Jahreskreis Hll. Karl Lwanga u. Gefährten, Märtyrer Hl. Johannes Grande OH Hl. Kevin von Wicklow, Abt Beate Scheilen Mk 2,23-3,6 An einem Sabbat ging Jesus durch die Kornfelder, und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab. Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten. Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten - wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab? Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war. Und sie gaben acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen. Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand war wieder gesund. Da gingen die Pharisäer hinaus uns fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen. Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte diese Zeit ganz bewusst an deinem Herzen verbringen. Du bittest unaufhörlich um die Liebe jedes Menschen; ich möchte dir heute meine Liebe geben. Bitte: Herr, schenke mir Aufmerksamkeit für die Botschaft, die du heute für mich ganz persönlich hast. 1. Kritiker sehen alles. Jesus und seine Jünger werden von den Pharisäern offenbar regelrecht überwacht. Wie sonst ist es zu erklären, dass selbst der Gang durch die Felder und von Dorf zu Dorf verfolgt und einer Prüfung unterzogen wird? Ähren abrupfen am Sabbat– eine scheinbar belanglose Handlung – ist für die Pharisäer ein Anlass, bei Jesus vorstellig zu werden und ihn, vermutlich nicht ohne eine gewisse Häme, darauf hinzuweisen, dass seine Jünger etwas Verbotenes tun – was eigentlich nicht wahr ist (vgl. Dtn 23,26). Aber wer Kritik üben will, hat einen scharfen Blick: Ihm entgeht nichts von dem, was andere falsch machen könnten! Was bei dem anderen gut ist, wird hingegen großzügig übersehen… 2. Will Gott mich zum Nichtstun zwingen? Jetzt ist Jesus scheinbar in der Zwickmühle: Entweder stimmt er den Pharisäern zu – dann hat er seine Leute nicht im Griff und ist keine überzeugende Führungspersönlichkeit – oder er heißt ihr Tun gut, dann ist er kein gesetzestreuer Rabbi und somit unglaubwürdig. Jesus lässt sich auf dieses Niveau aber gar nicht ein. Stattdessen wundert er sich, dass seine Kritiker die heiligen Schriften nicht gut genug kennen. „Habt ihr nicht im Gesetz gelesen…“ fragt er sie zweimal, und verweist darauf, dass sowohl Notsituationen als auch der Dienst für Gott Grund genug sind, vom Sabbatgebot befreit zu sein. Beides trifft auf die Jünger zu: Sie haben Hunger, und sie stehen im Dienst des Herrn - somit sind sie „Unschuldige“. Es geht beim Sabbatgebot ja nicht darum, dass Gott die Menschen um jeden Preis zum Nichtstun zwingen will! Sinn des Gebots ist, dass der Mensch an diesem Tag seine Beziehung zu Gott erneuert und wieder zu Kräften kommt. Der Sabbat ist um des Menschen willen da – und „der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.“ Entscheidend ist also der Zweck, der verfolgt wird (grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Familienpflichten oder Krankenpflege können z.B. von der Sonntagsruhe entschuldigen). 3. Mord ist keine Arbeit. Nachdem Jesus am Sabbat auch noch einen Kranken geheilt hat, ist für die Pharisäer das Maß voll: Sie planen, Jesus umzubringen. Man könnte fast darüber hinweglesen, so lapidar berichtet Matthäus davon. Menschen planen, Gott umzubringen! Die gleichen Menschen, wohlgemerkt, die sich kurz vorher noch über das Sammeln einiger Getreidekörner aufgeregt haben, planen jetzt kaltblütig einen Mord – am Sabbat! Offenbar sind derartige Überlegungen für sie keine Entweihung des Feiertags. Mordgedanken darf man haben – Hauptsache, es ist keine Arbeit! Handeln wir selber nicht auf anderer Ebene oft ähnlich absurd? Wir regen uns auf, weil im Gottesdienst ein Kind schreit und unsere Andacht stört – und empfangen gleich danach die Kommunion, gedanklich beschäftigt mit allem Möglichen, nur nicht mit Jesus, der jetzt in meinem Herzen wohnt. Wir verurteilen (gedanklich) Menschen, weil sie nicht jeden Sonntag zur Messe gehen, lassen es aber selber an der Liebe fehlen, die unseren Glauben für sie attraktiv machen würde. Jeder kennt vermutlich genügend Beispiele aus dem eigenen Leben… Gespräch mit Christus: Jesus, wie oft bist du auf verhärtete Herzen getroffen! Die Pharisäer waren fromme und gebildete Leute, die einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit und ihres Einkommens für Gott opferten. Wie konnte es dann sein, dass gerade sie dich ablehnten? Kam es vielleicht dazu, weil ihnen das geschriebene Gesetz und ihre eigene Auslegung über alles gingen – und nicht Gott? Weil sie für andere Wege nicht mehr offen waren? Wie tief muss dich ihre Ablehnung und Herzenshärte getroffen haben! Und wie oft hast du versucht, ihnen noch die Augen aufzutun… Danke für deine Geduld, Herr, auch mit mir… Möglicher Vorsatz: Wenn ich das nächste Mal jemanden für ein Fehlverhalten kritisieren möchte, will ich innehalten, dem Geist des Kalküls entsagen und den Geist der Barmherzigkeit anrufen.
„Dann gehört alles uns“ 4. Juni 2018
Montag der neunten Woche im Jahreskreis Hl. Christa, Märtyrerin Hl. Klothilde von Franken Hl. Werner von Ellerbach OSB Beate Scheilen Mk 12,1-12 In jener Zeit begann Jesus zu den Hohenpriestern, den Schriftgelehrten und den Ältesten in Form von Gleichnissen zu reden. Er sagte: Ein Mann legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land. Als nun die Zeit dafür gekommen war, schickte er einen Knecht zu den Winzern, um bei ihnen seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs holen zu lassen. Sie aber packten und prügelten ihn und jagten ihn mit leeren Händen fort. Darauf schickte er einen anderen Knecht zu ihnen; auch ihn misshandelten und beschimpften sie. Als er einen dritten schickte, brachten sie ihn um. Ähnlich ging es vielen anderen; die einen wurden geprügelt, die andern umgebracht. Schließlich blieb ihm nur noch einer: sein geliebter Sohn. Ihn sandte er als Letzten zu ihnen, denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben. Die Winzer aber sagten zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn töten, dann gehört sein Erbgut uns. Und sie packten ihn und brachten ihn um und warfen ihn aus dem Weinberg hinaus. Was wird nun der Besitzer des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Winzer töten und den Weinberg anderen geben. Habt ihr nicht das Schriftwort gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder? Daraufhin hätten sie Jesus gern verhaften lassen; aber sie fürchteten die Menge. Denn sie hatten gemerkt, dass er mit diesem Gleichnis sie meinte. Da ließen sie ihn stehen und gingen weg. Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte diese Zeit ganz bewusst an deinem Herzen verbringen. Du bittest unaufhörlich um die Liebe jedes Menschen; ich möchte dir heute meine Liebe geben. Bitte: Herr, schenke mir Aufmerksamkeit für die Botschaft, die du heute für mich ganz persönlich hast. 1. Israel als Gottes Weinberg. Jesus spricht zu den jüdischen Autoritäten wiederum in einem Gleichnis. Hintergrund sind die Streitgespräche um die Vollmacht im Tempel. Israel ist der Weinberg, den Gott sich mit viel Mühe angelegt hat. Die religiösen Führer sind die Winzer. Ihnen ist das Volk anvertraut. Die scheinbare Abwesenheit Gottes nutzen sie aus, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Die von Gott gewünschten Früchte bringen sie nicht – im Gegenteil: jeden Propheten, der sie daran erinnert, bringen sie um. Der Besitzer im Gleichnis antwortet darauf merkwürdigerweise nicht mit Gericht und Polizei, sondern er schickt unbewaffnete Mitarbeiter, um doch noch zu einem gütlichen Einvernehmen zu kommen. Nachdem die alle getötet worden sind, schickt er den bösen Winzern nicht etwa eine Schlägertruppe, sondern seinen geliebten Sohn – eigentlich eine ganz und gar verrückte Handlung – nur verständlich vor dem Hintergrund der göttlichen Liebe. 2. Krieg im Weinberg. Anstelle des erhofften Respekts vor dem Sohn des Weinbergbesitzers steigert sich die Boshaftigkeit der Winzer zu einem der übelsten Pläne, die man sich vorstellen kann: „Das ist der Erbe – wenn wir den töten, gehört der Weinberg uns!“ Jeder schriftkundige Jude musste dabei sofort an Joseph denken – den Lieblingssohn seines Vaters Jakob, den seine missgünstigen Brüder töten wollten. Sein Verkauf nach Ägypten rettete letzten Endes das ganze Volk Israel. Aber soweit denken die Mitglieder des Hohen Rates nicht. Sie sehen genau wie die Winzer nur ihren eigenen Vorteil: „Wenn Jesus mit seinen Ansprüchen beseitigt ist, gehört das Volk wieder uns - seinen religiösen Führern.“ Doch Jesus warnt sie: Der Besitzer wird sich diese Tat nicht mehr gefallen lassen. Er wird kommen und die Winzer töten; den Weinberg werden andere erhalten. Jeder Zuhörer konnte sich ausmalen, was das bedeutete. Ein paar Jahrzehnte später, bei der Zerstörung Jerusalems, wurde es für jeden offensichtlich. 3. Und am Schluss sind alle tot? Aber nicht nur der Hohe Rat von damals kann sich die Rolle der bösen Winzer „anziehen“. Jeder Mensch seit Adam und Eva trägt in sich den Gedanken der Rebellion gegen Gott, den Besitzer des Weinbergs – den Herrn der Schöpfung, die uns zur Verwaltung gegeben ist. Schon damals machte die Schlange den Menschen vor, das göttliche Gebot sei eine Einschränkung ihrer Freiheit und nur seine Übertretung werde ihnen das bringen, was sie sich erhoffen: „Ihr werdet sein wie Gott!“ Darum möchten die Winzer mit dem Weinberg machen, was sie wollen – und darum möchte der Mensch seit jeher nach eigenem Gutdünken leben. Darum die Christenverfolgung, darum die Angriffe gegen die Kirche: „Wenn wir Gott umbringen – wenn wir die christliche Kultur zerstören – dann … ja dann gehört alles uns!“ Wirklich? Und wenn ja, um welchen Preis? Wie viele Tote hat gerade die neuere Geschichte bei dem Versuch, eine Weltordnung ohne Gott umzusetzen, schon gefordert! Doch Jesus geht es nicht darum, eine Schreckensgeschichte zu erzählen, an deren Ende alle tot sind. Er bezieht das Gleichnis auf sich selbst: Er ist der Stein, der kurze Zeit später von den Bauleuten verworfen wird – aber zum Grundstein für den neuen Tempel und das neue Volk Gottes werden wird. Und auch wir heute dürfen die begründete Hoffnung haben, dass Jesus am Ende über alle Mächte des Todes siegen wird! Gespräch mit Christus: Herr, man sollte wirklich meinen, deine Geduld mit der Menschheit sei langsam überstrapaziert! Doch deine Liebe denkt sich trotz aller Hindernisse immer wieder Möglichkeiten aus, uns doch noch zu dir zu führen. Wie wertvoll müssen wir dir sein, dass du das alles erträgst! Möglicher Vorsatz: Ich möchte mit einem Menschen, dessen Verhalten mir immer wieder auf die Nerven geht, Geduld haben und freundlich zu ihm sein, auch wenn es mir schwer fällt.
Ein unglaubliches Angebot 5. Juni 2018
Hl. Bonifatius, Apostel der Deutschen Fest Hl. Hildebrand und Reginald Hl. Meinwerk von Paderborn, Bischof Beate Scheilen Joh 15,14-16a.18-20 In jenen Tagen sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt. Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie an meinem Wort festgehalten haben, werden sie auch an eurem Wort festhalten. Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte diese Zeit ganz bewusst an deinem Herzen verbringen. Du bittest unaufhörlich um die Liebe jedes Menschen; ich möchte dir heute meine Liebe geben. Bitte: Herr, schenke mir Aufmerksamkeit für die Botschaft, die du heute für mich ganz persönlich hast. 1. Freunde teilen ihr Herz. Hier sind wir im Kern dessen, was der christliche Glaube an radikal Neuem bringt! Weder im Judentum noch im Islam ist Gott der Freund des Menschen. Er ist der Herr, der ganz Erhabene, vor dem der Mensch nur „Knecht“ oder „Sklave“ ist. Zur Zeit Jesu wusste jeder, was ein Sklave ist – eine rechtlose Person, die die Anweisungen ihres Herren ausführt, ohne zu wissen warum. Erklärung: Der Sklave „weiß nicht, was sein Herr tut“. Ein Freund hingegen genießt Vertrauen, ihm öffnet der Herr sein Herz. Der Unterschied könnte größer nicht sein! Begreifen wir überhaupt, wie unglaublich dieses Angebot vonseiten Gottes ist? Bedenkt man den seinsmäßigen Unterschied zwischen Gott und uns, dann ist der Status des Knechts für den Menschen viel naheliegender. Freund Gottes zu sein – wer kann das aus sich selbst heraus verlangen oder auch nur wünschen? Und trotzdem sagt Jesus: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ Wir sollen schon etwas tun – aber nicht in der Haltung eines unwissenden Befehlsempfängers! Jesus öffnet uns sein Herz – und er wünscht sich Freunde, denen sein Auftrag wichtig ist, die alles daran setzen, die Herzenswünsche ihres göttlichen Freundes zu erfüllen. 2. Setzt euch in Bewegung! Jesus sagt uns ganz klar, dass er es ist, der das Heft in der Hand hat. Nicht wir haben uns Jesus ausgesucht – womöglich aus einer Vielzahl von gleichwertigen religiösen Angeboten –, sondern die Initiative geht stets von ihm aus! Und er hat dabei ein Ziel vor Augen: dass wir Frucht bringen, und zwar dauerhafte Frucht. Was ist damit gemeint? „Dauerhaft“ sind Handlungen, die uns und anderen das ewige Leben bringen, das Jesus uns schenken will. „Alles, was aus Liebe geschieht, gelangt mit Christus zur Auferstehung“, habe ich vor einiger Zeit auf dem Sarkophag eines Bischofs gelesen. Und wie kommen wir dazu, Früchte zu bringen? Es gibt da ein kleines, aber wichtiges Wort, über das wir vielleicht meist hinweg lesen: „… dass ihr euch aufmacht…“. Durch unsere bloße Existenz allein sind wir zwar geliebt, bringen aber noch nicht die gewünschte Frucht hervor! Es geht darum, dass wir uns in Bewegung setzen und etwas tun – und es scheint nicht so zu sein, dass wir uns aussuchen können, ob wir das möchten. Jesus sagt klar: „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr Frucht bringt.“ So wie ein Auto zum Fahren bestimmt ist, so ist ein Christ zur geistigen Fruchtbarkeit bestimmt. Ansonsten verfehlt er seinen Daseinszweck. Aber Achtung: „Frucht“ sind nicht nur große Werke – jedes Gebet, jede kleine Tat für meinen Mitmenschen, alles was ich entsprechend meiner Möglichkeiten und in einer Haltung der Liebe tue, ist eine Frucht, die Jesus erfreut. 3. Ein verbreiteter Irrtum. „Wenn ich nur ein besserer Christ wäre, wenn mein Leben dem Leben Christi ähnlicher wäre – dann wäre ich viel liebenswerter und viel mehr Leute würden mich mögen.“ So denken vermutlich viele gläubige Menschen. Aber stimmt das wirklich? Klar – Christus ähnlich werden, das ist unser großes Ziel. Aber sollen wir das anstreben, um uns beliebt zu machen? Wird das überhaupt funktionieren? Jesus Christus war der vollkommene Mensch – aber auch er war nicht bei allen beliebt. Im Gegenteil: Durch seine konsequente Liebe zur Wahrheit hat er sich bei maßgeblichen Leuten sehr unbeliebt gemacht. Rechnen wir also nicht damit, dass echtes Christsein uns Scharen von Freunden schenken wird! Es könnte eher passieren, dass es im Ernstfall ziemlich einsam um uns herum wird. Jesus spricht sogar davon, dass „die Welt“ die Jünger hassen wird, die er erwählt hat. Was allerdings kein Freibrief dafür ist, sich seltsam zu benehmen und berechtigte Kritik dann mit den Worten abzuschmettern: „Wer fromm ist, erweckt halt Anstoß, das hat schon Jesus gesagt.“ Wenn wir angegriffen werden, machen wir doch erst einmal einen Faktencheck: Gilt die Anfeindung meiner Liebe zu Jesus – oder sind es nur meine eigenen Schrullen, über die sich andere aufregen? Eine ehrliche Antwort auf diese Frage kann in manchen Situationen viel Druck aus dem Kessel holen… Gespräch mit Christus: Jesus, mein oberstes Ziel soll ab heute die Herzensgemeinschaft mit dir sein! Von da aus werden sich alle Fragen nach fruchtbringendem Apostolat und Umgang mit Kritik viel einfacher klären, als wenn ich sie alleine beantworten möchte. Möglicher Vorsatz: Heute will ich mich bewusst in Bewegung setzen, um etwas für Jesus zu tun – und wenn es nur eine Kleinigkeit ist.
Polygamie im Himmel? 6. Juni 2018
Mittwoch der neunten Woche im Jahreskreis Hl. Norbert von Xanten OPraem, Bischof Hl. Claudius OSB, Abt Beate Scheilen Mk 12,18-27 In jener Zeit kamen einige von den Sadduzäern, die behaupten, es gebe keine Auferstehung, zu Jesus und fragten ihn: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, aber kein Kind, dann soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen verschaffen. Es lebten einmal sieben Brüder. Der Erste nahm sich eine Frau, und als er starb, hinterließ er keine Nachkommen. Da nahm sie der Zweite; auch er starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen, und ebenso der Dritte. Keiner der sieben hatte Nachkommen. Als Letzte von allen starb die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. Jesus sagte zu ihnen: Ihr irrt euch, ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes. Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, werden sie nicht mehr heiraten, sondern sie werden sein wie die Engel im Himmel. Dass aber die Toten auferstehen, habt ihr das nicht im Buch des Mose gelesen, in der Geschichte vom Dornbusch, in der Gott zu Mose spricht: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist doch nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Ihr irrt euch sehr. Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte diese Zeit ganz bewusst an deinem Herzen verbringen. Du bittest unaufhörlich um die Liebe jedes Menschen; ich möchte dir heute meine Liebe geben. Bitte: Herr, schenke mir Aufmerksamkeit für die Botschaft, die du heute für mich ganz persönlich hast. 1. Eine schräge Geschichte. Zur Abwechslung kommen heute nicht die Pharisäer zu Jesus, sondern ihre Gegenpartei - die eher liberal eingestellten Sadduzäer. Sie anerkannten nur die Tora (die Bücher Mose) als heilige Schrift, sahen diese als eine Sammlung von ethischen Anweisungen an, orientierten sich an der Lebenswirklichkeit (die Römer sind jetzt halt hier, und daher müssen wir gut mit ihnen auskommen) und hatten den Transzendenzbezug aus ihrem Denken im Wesentlichen verbannt. So glaubten sie z.B. nicht an die Existenz von Engeln, an das Endgericht oder die Auferstehung. In diesem Sinne konstruieren sie nun eine nach damaligem Recht mögliche, aber sehr waghalsige Geschichte von einer Frau, die nacheinander mit sieben Brüdern verheiratet wird, die alle sterben. Nun kommt die Frage auf, wessen Frau sie im Himmel sein wird. Das vorgelegte Beispiel würde also nachgerade die Situation von Polygamie im Himmel erzwingen! Jetzt ist Jesus in Verlegenheit – so denken sie: Entweder muss er diese abstruse Situation bejahen und macht sich damit als Lehrer unglaubwürdig – oder er muss zugeben, dass es keine Auferstehung gibt. Eine ähnliche Situation also wie bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit der kaiserlichen Steuer. 2. Was sagt die Frau dazu? Nach damaliger Auffassung konnte eine Frau nicht selbst heiraten, sondern nur verheiratet werden. Das wird hier ausgiebig praktiziert, indem ein- und dieselbe Frau sukzessive mit sieben Männern verheiratet wird. Was sie selbst davon gehalten hat, wird nicht erwähnt. In der Kultur, in der Jesus lebte, war das auch recht uninteressant. Es ging um die Erhaltung des Stammes bzw. des Volkes – und so wurde kaum nach persönlichen Gefühlen gefragt. Hier ist mit dem Christentum eindeutig ein Fortschritt eingezogen. Die Kirche hat im Lauf der Zeit sehr für das freie Jawort der Brautleute bei der Eheschließung gekämpft, weil Liebe nur da möglich ist, wo es auch Freiheit gibt. Alles andere ist Verzweckung von Menschen für die Interessen eines Stammes, einer Familie o.ä. Sicher: Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern vor allem eine Entscheidung – und lieben kann man auch lernen. Aber eine Heirat unter Zwang ist dafür bestimmt keine gute Grundlage (und kirchenrechtlich ist sie gar nicht gültig). 3. Irrwege. Jesus hält sich an dem Vielmännerei-Konstrukt gar nicht auf, sondern widerlegt seine Gesprächspartner, indem er ihrem Denken die Grundlage entzieht. „Ihr meint, im Himmel lebt man weiter wie auf der Erde? Nein, so ist es nicht!“ Nach der Auferstehung werden die Menschen nicht mehr heiraten – damit hat sich die Frage sehr schnell erledigt. Und dass es eine Auferstehung gibt, muss man schon daraus ableiten, dass Gott bei der Erscheinung vor Mose von sich als dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs spricht. Wichtig: Jesus wählt hier eine Schriftstelle aus, die auch von den Sadduzäern anerkannt wird, weil sie in einem der mosaischen Bücher steht. Wären diese Patriarchen definitiv tot, warum sollte Gott sich Mose gegenüber auf sie beziehen? Warum sollte er überhaupt mit dem Volk Israel einen Bund schließen, wenn alle Beteiligten nach ihrem biologischen Tod „weg wären“? Was für ein Gott wäre das, der seine Geschöpfe im Nichts verschwinden lässt? Die ganze Geschichte Israels hätte keinen Sinn. So dreht Jesus „den Spieß um“ und bringt seine Gegner in Verlegenheit. „Ihr irrt euch sehr“, lautet sein Schlusswort. Hier ist der Unterschied zwischen dem semitischen Sprachgebrauch und dem unseren zu beachten. Für uns heißt das so viel wie: „Diese eure Aussage ist zwar sachlich falsch, trotzdem seid ihr ganz ordentliche Leute“. Für Jesus und seine Zuhörer hieß es: „Ihr selbst, euer ganzes Dasein, geht in die Irre“. Ein starkes Wort gegenüber den Leuten, die die Hoheit über den Tempel hatten! Kein Wunder, dass sich ihre Wut gegen Jesus immer mehr steigerte… Gespräch mit Christus: Herr, du bist immer wieder mit provozierenden Fragen konfrontiert worden. Du hast deutliche Antworten gegeben, aber du bist nie aggressiv geworden. Heute herrscht in Diskussionsforen über christliche Themen oft ein rauer Umgangston, obwohl persönliche Angriffe kein geeignetes Mittel der Glaubensweitergabe sind. Bitte hilf mir, mich nicht in diesen Negativ-Modus hineinziehen zu lassen. Möglicher Vorsatz: Heute werde ich einmal darüber nachdenken, von welchen kulturellen Zwängen die Frauen im Laufe der Zeit durch den christlichen Glauben befreit worden sind.
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Wenn sich ein Herz offenbart 8. Juni 2018
Heiligstes Herz Jesu Hochfest Hl. Medardus, Bischof Hl. Ilga (Helga) von Schwarzenberg P. Thomas Fox LC Joh 19,31-37 Weil Rüsttag war und die Körper während des Sabbats nicht am Kreuz bleiben sollten, baten die Juden Pilatus, man möge den Gekreuzigten die Beine zerschlagen und ihre Leichen dann abnehmen; denn dieser Sabbat war ein großer Feiertag. Also kamen die Soldaten und zerschlugen dem Ersten die Beine, dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt worden war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus. Und der, der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet, damit auch ihr glaubt. Denn das ist geschehen, damit sich das Schriftwort erfüllte: Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen. Und ein anderes Schriftwort sagt: Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben. Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte da sein, wenn du dein Herz offenbarst. Ich möchte seine Botschaft aufnehmen und diese Zeit ganz bewusst an deinem Herzen verbringen. Du bittest unaufhörlich um die Liebe jedes Menschen; ich möchte dir heute meine Liebe geben. Bitte: Herr, lass mich deine Botschaft in mir aufnehmen, sie in mein Herz fallen und Frucht bringen lassen. 1. Blicken wir auf Ihn? Der Herr starb zwischen zwei Verbrechern. Sie haben ihn noch kurze Zeit überlebt und so durften sie sehen, wie an ihrer Seite – mitten unter ihnen – die Quelle des Heils entsprang. Wer hätte das gedacht, dass an solch einer gruseligen Stätte, an der man Todesurteile vollstreckte, für alle Zeiten die Ströme des Heils hervorquellen würden! An welcher Stätte dies geschah? – Der heilige Ambrosius stützt sich auf eine Tradition der Juden, nach der der Kalvarienberg der Ort sei, an dem die Gebeine von Adam und Eva ruhen – unterhalb des Kalvarienbergs steht daher auch heute noch die griechisch-orthodoxe „Adamskapelle“. Was heißen soll, dass das Heil auch und gerade bei unseren Stammeltern ankommen sollte und für sie bestimmt war. Von dort eben, wo der Tod seine Ernte eingeholt hatte, sollten die Fluten des Heils ausströmen.Noch ein Gedanke zu dieser Stätte: Nach wie vor gilt, dass Jesus gekommen ist, um die Sünder zu berufen, nicht die Gerechten: Er starb, umgeben von Sündern, jenen aus der Vergangenheit (Adam und Eva) und jenen aus der Gegenwart (die beiden Verbrecher). Und heute umgeben wir ihn, jene aus der Zukunft. Tun wir daher voller Vertrauen und Hoffnung, was die Schrift voraussagt, d.h. blicken wir mit Glauben auf den, den wir durchbohrt haben! 2. Ein Doppelstrom von Blut und Wasser. Hab Mut und Zuversicht, und halte dich mit deinem ganzen Sein betend in diesen Strom von Blut und Wasser hinein! Halte die dir Anvertrauten in diesen Strom hinein! – Denn im Glauben blicke ich auf Gottes Initiative, auf ihn, der mich bei der Taufe schon in diese Fluten hineingetaucht hat. Was dabei äußerlich in Bild und Zeichen geschah (das Wasser, das meinen Kopf berührte), hat mich innerlich (im Geist und in Wahrheit) gereinigt. Was ich später gebeichtet habe – persönliche Schwächen und Dunkelheiten –, ist in meinem Herzen zutiefst in sein Erlöserblut gebadet und dadurch geheilt, aufgerichtet und erhellt. Bleibe dieser Gnade von Herzen treu und gehe deinen Weg gerade vor Gott und den Mitmenschen! 3. Herz Jesu, unser Friede und unsere Versöhnung – erbarme dich! Das größte Wunder, das Gott wirkt, ist unsere innerste Bekehrung zur Liebe des Vaters, die wir in Freiheit bejahen. Dann nimmt er uns das Herz aus Stein aus unserer Brust und gibt uns ein Herz aus Fleisch (vgl. Ez 11,19). Dann sind wir so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht (vgl. Phil 2,5), sind sein getreues Abbild (vgl. Gen 1,27). Dann ist Friede. Erinnern wir uns an Jesu Wort an Sr. Faustyna Kowalska: „Die Menschheit wird keinen Frieden finden, solange sie sich nicht mit Vertrauen an Meine Barmherzigkeit wendet.“Wir müssen unseren Gott nicht mit unseren Errungenschaften beeindrucken, weder mit optimistischer noch mit pessimistischer Besserwisserei, ja nicht einmal mit moralischen Höchstleistungen. Wir dürfen es einfach und allein mit den „Waffen“ der geistigen Armut tun, das heißt, mit innerer Ergriffenheit, Dankbarkeit, der Bereitschaft zur Wiedergutmachung, Sühne und Anbetung. Gespräch mit Christus: Herr, ich will dich trösten und dir mein Herz ganz öffnen. Ich weiß, das ist keine geringe Gnade. Mit innerer Bewegung möchte ich deinen Leib empfangen und dein Blut trinken, dein Geheimnis der Liebe, das ich auch vor den Gleichgültigen bezeugen will. Möglicher Vorsatz: Den heutigen Tag im Bewusstsein der Liebe des Herzens Jesu verbringen, betend und mit der Sehnsucht, seiner Liebe in irgendeiner Form zu entsprechen.
Verzicht auf Selbstoptimierung 9. Juni 2018
Unbeflecktes Herz Mariä Gedenktag Hl. Ephräm der Syrer, Kirchenlehrer Hl. Anna Maria Taigi, Mystikerin Beate Scheilen Lk 2,41-51 Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem. Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach. Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der junge Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten. Sie meinten, er sei irgendwo in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn dort. Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten. Als seine Eltern ihn sahen, waren sie sehr betroffen und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht. Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen. Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte diese Zeit ganz bewusst an deinem Herzen verbringen. Du bittest unaufhörlich um die Liebe jedes Menschen; ich möchte dir heute meine Liebe geben. Bitte: Herr, schenke mir Aufmerksamkeit für die Botschaft, die du heute für mich ganz persönlich hast. 1. Harte Worte. Diese Schriftstelle wird gerne als Beweis dafür herangezogen, dass Jesus nicht so lieb und brav gewesen sei, wie man immer denke. Aber wer behauptet, Jesus sei immer nett gewesen, hat die Evangelien wohl nie gelesen… Ohne um Erlaubnis zu fragen, verweilt der zwölfjährige Jesus drei Tage im Tempel. Seine besorgten Eltern finden ihn dort im Gespräch mit den Schriftgelehrten vor. Spätestens jetzt wäre es für Jesus doch angebracht gewesen, sich zu entschuldigen. Keine Rede davon, im Gegenteil: „Was regt ihr euch auf – ihr konntet euch doch denken, dass ich hier bin – in dem Tempel, der meinem Vater gehört!“ Dass Jesus mit „seinem Vater“ hier nicht den Zimmermann Josef aus Nazareth meint, ist offenkundig und muss für Maria und Josef zunächst ein Affront gewesen sein. Wäre es nicht etwas diplomatischer gegangen, etwa so: „Liebe Eltern, es tut mir sehr leid, aber ich hatte halt das Bedürfnis, etwas länger dort zu sein, wo unser Gott wohnt…“. Das hätte man ja noch verstanden. Aber Jesus versucht sich nicht zu verstecken. Es geht ihm nicht um „unseren gemeinsamen Gott“, sondern um „meinen Vater“. Das ist sehr ungewöhnlich, denn nach jüdischer Vorstellung ist Gott so erhaben, dass man ihn unmöglich so familiär ansprechen kann. 2. Verborgene Talente. Jesus erlaubt sich also hier etwas ganz Neues. Das Bewusstsein, dass er ein ganz besonderes Verhältnis zu Gott hat, das sich von dem aller anderen Menschen unterscheidet, muss spätestens ab diesem Besuch im Tempel als vorhanden angenommen werden. Und da wäre es doch naheliegend gewesen, gleich im Tempel zu bleiben, sozusagen „an der Quelle“. Wie schön und erfüllend wäre es für Jesus gewesen, dort zu leben und sich täglich mit den Gelehrten über die heiligen Schriften austauschen zu können! Aber nein… Jesus geht im Gehorsam mit seinen Eltern nach Nazareth zurück, wo er ein ganz einfaches Leben in einer Handwerkerfamilie führt. Heute würden wir das als Talentverschwendung ansehen. So ein begabtes Kind müsste doch gefördert werden! Jesus verzichtet darauf. So wie auf vieles andere, das er als Mensch hätte haben können. 3. Sinnvolles Leben. Vielleicht kann das ein Trost sein für viele Menschen, die aus was immer für Gründen auf eine angemessene Ausbildung, einen Partner, Kinder o.ä. verzichten mussten. Oder die nicht ins Kloster gehen durften, weil ihre Hilfe zu Hause gebraucht wurde. Auch unter diesen Bedingungen kann das Leben sinnvoll sein. Man muss nicht immer das Maximum aus sich und seinen Talenten herausholen, denn unsere Fülle erhalten wir nur, wenn wir Gottes Willen finden und erfüllen. Selbst Gott hat, als er auf der Erde lebte, nicht alles ausgekostet, was ihm zugestanden hätte. „Er entäußerte sich“, heißt es in der Schrift. Können wir uns das nicht zum Vorbild nehmen? Die Welt drängt uns heute immer mehr zur Selbstoptimierung: unser Körper, unsere emotionalen und intellektuellen Fähigkeiten – alles muss bis an die Grenze des Machbaren (und manchmal auch darüber hinaus) gepusht und verbessert werden, um gut da zu stehen, beliebt zu sein etc. Manche Christen übernehmen diesen Anspruch sogar in ihr geistliches Leben. Aber das entspricht nicht dem Evangelium! Unser täglicher Kampf sollte nicht zum Ziel haben, schön und beliebt zu sein, sondern anderen uneigennützig und liebevoll zu dienen. Und das ist alles andere als eine leichte Übung! Gespräch mit Christus: Jesus, was mich an dir am meisten beeindruckt, ist deine Zurückhaltung. Du hättest während deines Lebens auf der Erde alles haben können, aber du hast unter ganz einfachen Bedingungen gelebt. Wie oft möchte ich es bequem haben, Vorteile nutzen und am liebsten besser behandelt werden als andere! Hier habe ich noch viel zu lernen…bitte hilf mir dabei! Möglicher Vorsatz: Gibt es einen Bereich, in dem ich unbedingt vorankommen will, obwohl Gott das gar nicht von mir verlangt? Oder ein Defizit, das mich ständig belastet? Ich möchte heute gemeinsam mit Jesus herausfinden, wie ich in der Wahrheit leben kann.
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