Tägliche Meditationen

Tägliche Meditationen

Sonntag 29. Januar 2017 bis 4. Februar 2017

Vierte Woche im Jahreskreis

Angelika Knauf

Gott allein genügtSonntag
Unruhig ist mein Herz, bis es ruht in dir, mein GottMontag
Die Frucht des GlaubensDienstag
Staunen öffnet eine TürMittwoch
An Gott und sein Reich ‘verschwendet’Donnerstag
Ganz unten sein – und Jesus findenFreitag
Herr, sende Arbeiter in deine Ernte!Samstag


Gott allein genügt

29. Januar 2017

Vierter Sonntag im Jahreskreis

Angelika Knauf

Mt 5,1-12a
In jener Zeit als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.

Einführendes Gebet: Jesus, mein Herr und Erlöser! Ich glaube, dass alle Fülle, die ich ersehne, in dir ist. Und doch fällt es mir schwer, vor dir so arm zu werden, dass ich aus deiner Hand empfangen kann, was allein mich wahrhaft erfüllt.

Bitte: Ã–ffne mein Herz, o Jesus, damit es gereinigt werden und alles frei herausfließen kann, was mich von der Erfahrung deiner Liebe trennt.

1. Eine erste Stufe: Arm werden, die Trauer annehmen und meinen Willen loslassen. Jesus stellt die Seligpreisung der Armut allen anderen voran. Es scheint, als müsse ich zunächst arm werden, um überhaupt Zugang zu den anderen Haltungen zu finden, die er seligpreist. Was heißt denn vor Gott arm sein? Meint es nicht, bis in die letzte Tiefe meines Seins die Tatsache anzunehmen, dass ich ein Geschöpf bin? Dass ich nichts, nicht einmal mich selbst, aus mir heraus habe? Dass ich mich vollkommen und in allem einem Anderen verdanke? Mein Geschöpfsein radikal zu leben ist auch schmerzhaft. Neben der inneren Freude, die es birgt, von Gott gehalten zu sein, bedarf es auch eines beständigen Sterbens, z.B., wenn ich auf meinen eigenen Vorstellungen, Sicherheiten, Rechten und Vorlieben bestehe, weil die Sünde mich veranlassen will, die vertraute Einheit mit Gott aufzugeben. Arm von mir zu werden kann sogar Trauer erzeugen, die aus dieser Gebrochenheit stammt. Das bedeutet dann, meinen Willen loslassen zu müssen, also meine Gewalttätigkeit in der Durchsetzung meiner Interessen aufzugeben, und sei sie auch nur in meinen inneren Kämpfen zugegen. Doch welche Verheißung macht mir Jesus: Bin ich wahrhaft arm, trauernd und gewaltlos in meinem Wollen, werde ich den Himmel gewinnen, unermesslichen Trost finden und wahrhaft erst als Geschenk empfangen, was ich vielleicht aus Selbstliebe an mich reißen wollte.

2. Eine zweite Stufe: Heil werden und heilig. Wenn ich arm geworden bin, wird in mir ein unermesslicher Durst entstehen. Denn ich bin auf Fülle hin geschaffen. Jesus wurde Mensch, damit wir das Leben haben, und es in Fülle haben! Wenn ich den alten, selbstsüchtigen Menschen in mir abgelegt habe, werde ich nach Jesu Menschsein dürsten, das gerecht ist, barmherzig und rein! Ich werde es von ihm empfangen können, ich werde satt werden an seiner Gerechtigkeit. Lasse ich seine Barmherzigkeit an mir zu und will mich nicht mehr selbst retten, dann kann ich mich in freigebender Liebe auch meinem Nächsten zuwenden und barmherzig sein, weil ich dann ein armes, ein heil gewordenes Herz haben werde. Meine Liebe wird rein werden, heilig, wenn ich in Jesus geben kann, ohne etwas empfangen zu wollen. Wenn ich gerecht, barmherzig und rein in Jesus geworden bin, dann werde ich sein Wesen auch in mir schauen!

3. Eine dritte Stufe: Zum Segen werden, zum Stein des Anstoßes gemacht. Wenn in mir Jesu Wesen zum Leben kommt, kann ich das nicht für mich behalten. Seine Fülle in mir kann ich alleine nicht halten, sie muss überfließen zu den anderen neben mir! Bin ich wahrhaft heil und heilig geworden in Jesus, dann muss ich dieses Heil auch anderen stiften, ich muss ihnen jenen Frieden stiften, den diese Welt nicht geben kann, sondern Jesus allein! Doch für viele, die ihren Frieden, ihre Zufriedenheit in den Dingen dieser Welt suchen, ihr Selbst nach den Gesetzen dieser Welt erschaffen wollen, werde ich womöglich zum Stein des Anstoßes werden. Immer wird mein Sein sie auf die Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit ihres Strebens hinweisen. So war es jedenfalls bei den Märtyrern der frühchristlichen Zeit. Auch ich werde verleumdet, beschimpft, vielleicht auch verfolgt werden, aber in Jesus werde ich frei bleiben und beten können: Herr, lass sie dich erkennen!

Gespräch mit Christus: O Jesus, lass nicht ab von mir! Locke mich, umwirb mich, damit ich den Schritt aus mir heraus wage, den Schritt, der mich ins vermeintliche Dunkel, ins Leere, ins Schmerzhafte zu führen scheint. Lehre mich wahren Glauben, der im Dunkeln sieht, wahre Hoffnung, die in der Dunkelheit das wahre Licht erwartet. Lass nicht ab von mir, Jesus, bis ich arm genug bin, um in Reinheit zu lieben.

Möglicher Vorsatz: Ich will mich heute Jesus einfach überlassen, aufmerksam sein auf seine Gegenwart, seine Anregungen, seinen Willen.


Unruhig ist mein Herz, bis es ruht in dir, mein Gott

30. Januar 2017

Montag der vierten Woche im Jahreskreis
Hl. Adelgunde OSB, Äbtissin
Hl. Martina von Rom, Märtyrerin

Angelika Knauf

Mk 5,1-20
In jener Zeit kamen Jesus und seine Jünger an das andere Ufer des Sees, in das Gebiet von Gerasa. Als er aus dem Boot stieg, lief ihm ein Mann entgegen, der von einem unreinen Geist besessen war. Er kam von den Grabhöhlen, in denen er lebte. Man konnte ihn nicht bändigen, nicht einmal mit Fesseln. Schon oft hatte man ihn an Händen und Füßen gefesselt, aber er hatte die Ketten gesprengt und die Fesseln zerrissen; niemand konnte ihn bezwingen. Bei Tag und Nacht schrie er unaufhörlich in den Grabhöhlen und auf den Bergen und schlug sich mit Steinen. Als er Jesus von weitem sah, lief er zu ihm hin, warf sich vor ihm nieder und schrie laut: Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, Sohn des höchsten Gottes? Ich beschwöre dich bei Gott, quäle mich nicht! Jesus hatte nämlich zu ihm gesagt: Verlass diesen Mann, du unreiner Geist! Jesus fragte ihn: Wie heißt du? Er antwortete: Mein Name ist Legion; denn wir sind viele. Und er flehte Jesus an, sie nicht aus dieser Gegend zu verbannen. Nun weidete dort an einem Berghang gerade eine große Schweineherde. Da baten ihn die Dämonen: Lass uns doch in die Schweine hineinfahren! Jesus erlaubte es ihnen. Darauf verließen die unreinen Geister den Menschen und fuhren in die Schweine, und die Herde stürzte sich den Abhang hinab in den See. Es waren etwa zweitausend Tiere, und alle ertranken. Die Hirten flohen und erzählten alles in der Stadt und in den Dörfern. Darauf eilten die Leute herbei, um zu sehen, was geschehen war. Sie kamen zu Jesus und sahen bei ihm den Mann, der von der Legion Dämonen besessen gewesen war. Er saß ordentlich gekleidet da und war wieder bei Verstand. Da fürchteten sie sich. Die, die alles gesehen hatten, berichteten ihnen, was mit dem Besessenen und mit den Schweinen geschehen war. Darauf baten die Leute Jesus, ihr Gebiet zu verlassen. Als er ins Boot stieg, bat ihn der Mann, der zuvor von den Dämonen besessen war, bei ihm bleiben zu dürfen. Aber Jesus erlaubte es ihm nicht, sondern sagte: Geh nach Hause, und berichte deiner Familie alles, was der Herr für dich getan und wie er Erbarmen mit dir gehabt hat. Da ging der Mann weg und verkündete in der ganzen Dekapolis, was Jesus für ihn getan hatte, und alle staunten.

Einführendes Gebet: Jesus, du bist mein Herr und mein Gott! Ich will dich wahrhaft anbeten, ich will dir wahrhaft folgen. In dir will ich all mein Glück suchen, allein in dir zur Ruhe kommen.

Bitte: Zeige mir, o Jesus, welche Fesseln mich davon abhalten, zu dir zu gehen und meine Seele dadurch in Unruhe halten.

1. Die unruhige See, der unruhige Mensch. Am Ende der Überfahrt, bei der Jesus den Sturm gestillt hatte, kamen Jesus und seine Jünger wieder an das andere Ufer des Sees. Schon bei dieser Begebenheit hatten die Jünger lernen müssen, was es bedeutet, in Jesu Nachfolge ganz auf ihn zu vertrauen. Hier erfahren sie nun, was es bedeuten kann, ein Leben zu führen, das von Jesus getrennt ist. Wir erfahren nicht, warum dieser Mann besessen war, doch zeigt die Gegenwart einer Schweineherde, dass er in heidnischem Gebiet lebt, in einer Kultur also, die den wahren Gott nicht kannte. Von den Dämonen in Besitz genommen, zeigt er ein rastloses und selbstzerstörerisches Verhalten, dem man keine Grenze mehr setzen kann. Was brachte eine größere Unordnung mit sich: Der Sturm auf dem See oder der aus dem seelischen Gleichgewicht geratene und den Kräften des Bösen überlassene Mensch?

2. Ringen um die Hingabe. Nein, meine inneren Aufstände haben meist keine so drastischen Auswirkungen wie hier vom Evangelisten Markus geschildert. Ich habe Gottes Liebe schon kennen gelernt, ich habe ihr schon zu vertrauen begonnen. Und dennoch: Auch ich ringe immer wieder mit der wirklichen Hingabe. Auch ich werfe mich Jesus zu Füßen und bitte, doch irgendwie an dem festhalten zu dürfen, was mir so unverzichtbar scheint. Und manchmal muss Jesus auch zu mir ein Machtwort sprechen, damit, was mich fesselt und von ihm trennt, sein wahres Wesen zeigt und sichtbar ins Unreine kehrt. Habe nicht auch ich schon den Moment erlebt, in dem plötzlich mit Macht ansichtig wird, was mich gefangen hält? Dass Jesus mich davon befreit und mit erschütternder Klarheit einen Teil meiner Existenz – eine Fehlhaltung – von mir weg in einen Abgrund „stürzt“, weil er mich von ihr befreien will? Und mit Erschrecken und Erleichterung zugleich nehme ich dann wahr, was mich da gefangen hielt. Erschrecken über das Maß an Gottferne, aus der Jesus mich zurückrief, und Erleichterung über die Ordnung, die in mir einkehrt, wenn er mein Kleid, dass er mir doch in der Taufe geschenkt hatte, wieder ordnet, und meine Seele unter das Joch des guten Geistes stellt, sie für die Liebe befreit.

3. Frei sein im Willen Jesu. Die Reaktion der Leute, die den Mann zuvor in seiner Raserei zu bändigen versucht hatten, ist erschreckend: Sie wollen von all dem nichts wissen. Weder von den inneren Kämpfen des zuvor besessenen Mannes, die doch auf Größeres verwiesen haben als nur ihre Alltäglichkeit, noch von dem Wunder seiner Befreiung. Sie wollen einfach nicht in ihrer Alltäglichkeit gestört werden, auch von keinem Heilsbringer. Berührend jedoch das Zeugnis des Befreiten, der, durch Jesus ganz zu sich gekommen, nichts mehr ersehnt als seine Nähe. Der sich dann aber widerspruchslos von ihm senden lässt, um andere an seinem Glück teilhaben zu lassen, das er in Jesus finden durfte. Und Jesus belohnt seine Hingabe, die er nun vollkommen vollzogen hat, indem sein Zeugnis reiche Frucht trägt.

Gespräch mit Christus: Jesus, in der Tiefe meiner Seele erfahre ich oft ein Ringen. Wie schwer fällt es mir doch, mich dir einfach zu unterstellen. Lass nicht zu, dass ich mich in mir selbst verschließe. Befreie mich, wenn ich meine Fesseln nicht abzustreifen wage. Lehre mich, dein Heil zu suchen, zu finden, darin zu ruhen und es zu verschenken.

Möglicher Vorsatz: Ich will Jesus darum bitten, dass er andere Menschen und mich selbst von inneren Fesseln befreit.


Die Frucht des Glaubens

31. Januar 2017

Gedenktag
Hl. Johannes Bosco

Angelika Knauf

Mk 5,21-43
In jener Zeit fuhr Jesus im Boot an das andere Ufer des Sees von Galiläa hinüber, und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, kam ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt. Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden. Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Sofort hörte die Blutung auf, und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war. Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt? Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein. Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten zu Jaïrus: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht; glaube nur! Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Lärm bemerkte und hörte, wie die Leute laut weinten und jammerten, trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur. Da lachten sie ihn aus. Er aber schickte alle hinaus und nahm außer seinen Begleitern nur die Eltern mit in den Raum, in dem das Kind lag. Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen. Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.

Einführendes Gebet: Jesus, ich glaube an dich. Doch möchte ich auch lernen, dir zu glauben, wenn du dein Wort in mein konkretes Leben hinein sprichst.

Bitte: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!

1. Der Glaube der Gemeinschaft. Eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn, sagt der Evangelist Markus. Sie alle hatten irgendwie von Jesus gehört, doch die Beweggründe für das Kommen eines jeden einzelnen mögen unterschiedlich gewesen sein: Vielleicht kamen viele aus Neugier, andere vielleicht im Schlepptau ihrer Freunde, manche womöglich schon mit einer konkreten Hoffnung. Es ist leicht, im Schutz der Menge zu Jesus zu kommen. Man kann in der Deckung bleiben, erst einmal abwarten, muss noch keinen eigenen Schritt tun. Das scheint auch die Situation vieler gläubiger Menschen von heute zu sein: Sie sind irgendwie dabei, fühlen sich auch ganz wohl, haben keine größeren Einwände, aber sie bleiben in der Deckung der Gemeinschaft. Diese Haltung ist nicht schlecht, aber sie ist nur ein Anfang, bei dem ich nicht verharren kann, wenn ich im Glauben wachsen will. Im Bericht des Markus kommt einer, Jaïrus, zu Jesus, der sich aus der Deckung wagt. Aus höchster Not und Angst um seine Tochter wagt er diesen Schritt. Er denkt noch nicht viel, er reflektiert seine Bitte noch nicht, er greift einfach verzweifelt nach dem Rettungsanker, der sich ihm in Jesus bietet. Was hat er zu verlieren? Auch ich kenne diese Momente, wenn ich zu Jesus gehe, weil ich nichts dabei zu verlieren und alles zu gewinnen habe. Jesus aber wird Jaïrus zu tieferem Glauben führen – und auch mich.

2. Der Mensch, der persönlich im Glauben steht. Die blutende Frau geht in ihrem Glauben noch weiter. Durch ihre Blutungen galt sie eigentlich als unrein, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Doch sie glaubt an die Heilsmacht Jesu. Ohne dass andere sie in irgendeiner Weise ermutigt hätten, sich ihm zu nähern, drängt sie sich durch die Menge noch nicht persönlich Glaubender hindurch, sie verlangt von Jesus keine Rechenschaft seiner Glaubwürdigkeit. Sie glaubt mit einem persönlichen und entschiedenen Glauben, und in diesem Glauben ist sie sich gewiss, dass schon die Berührung mit dem Saum des Gewandes Jesu sie heilen wird. Jesus spürt die Kraft, die von ihm ausgeht, weil diese Frau durch ihren Glauben in den Raum seiner göttlichen Heilsmacht eingetreten ist. Durch den Glauben dieser Frau wurde zwischen ihm und ihr eine Beziehung eröffnet, durch die ein Dialog möglich wurde, bei dem Jesus als Retter und Erlöser angesprochen wurde. Daher nimmt er sie wahr. Die Frau tritt auf seine Frage voller Furcht und Zittern vor, weil sie erfahren durfte, dass die Macht Jesu in Wirklichkeit noch viel größer und umwälzender ist, als sie es sich in der menschlichen Dimension ihres Glaubens vorstellen konnte. Der persönliche, das heißt, der sich ganz zu Eigen gemachte Glaube des frei geschaffenen Menschen gibt der Heilsmacht Gottes die Möglichkeit zu handeln: „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!“

3. Die Glaubensschule Jesu. Jesus will auch Jaïrus zu diesem persönlichen Glauben führen. Der Tod des Mädchens scheint fast durch sein Verweilen bei der blutflüssigen Frau verschuldet zu sein. Doch noch bevor die Benachrichtigung vom Tod seiner Tochter Jaïrus‘ Glauben auslöschen kann, hilft Jesus ihm auf: „Sei ohne Furcht; glaube nur!“ Und er darf Zeuge sein, wie Jesus dem Mädchen das Leben zurückschenkt, alle anderen aber, die nicht glauben, werden dabei nicht zugelassen. Jesus will von jedem von uns einen Glauben, der auch ganz auf einer persönlichen Entscheidung beruht. Warum? Weil Glauben ein Sich-Festmachen-in-Gott ist, oder, wie Hans Urs von Balthasar es ausdrückt, „Glaube als Akt der ganzen Person die Richtung von sich weg auf Gott hat (…)“. Durch seinen Glauben bindet sich der Mensch Gott so an, dass er wie eine Rebe wird, die Kraft aus dem Weinstock (Jesus) beziehen und so und nur durch ihn Frucht bringen kann (vgl. Joh. 15,5). Glaube muss oft ohne oder gar gegen die eigenen Gefühle geübt werden, immer aber ist er mit Gnade verbunden. Gerade der Empfang dieser Gnade setzt meine persönliche, willentliche Entscheidung voraus, sie empfangen zu wollen – mit der Annahme aller Konsequenzen, die das Wirken Jesu in meinem Leben haben mag. Jesus braucht nicht viel von mir, um diese Gnade des persönlichen Glaubens in mir zu wirken, nicht viel mehr als mein offenes Herz!

Gespräch mit Christus: Jesus, ich begegne mehr und mehr diesen Momenten, in denen ich einen Schritt hinein ins Dunkle tun muss, hinein in das Vertrauen auf dich. Es fällt mir oft so schwer, meine eigenen Sicherheiten aufzugeben und mich deiner Führung ganz zu überlassen. Doch in mir ist zugleich eine tiefe Sehnsucht danach, immer wieder diesen Schritt zu wagen, weil ich ahne, dass du mich zu einem Leben führen willst, das meine Vorstellung und mein eigenes Vermögen weit übersteigt. Komm mir zu Hilfe!

Möglicher Vorsatz: Ich will heute auf eine Möglichkeit achten, einen echten Akt des Glaubens zu vollziehen. Jesus wird ihn mir schenken, wenn ich ihn aufrichtig um das Wachstum meines Glaubens bitte.


Staunen öffnet eine Tür

01. Februar 2017

Mittwoch der vierten Woche im Jahreskreis
Hl. Brigida von Kildare, Äbtissin
Hl. Severus, Bischof

Angelika Knauf

Mk 6,1b-6
In jener Zeit kam Jesus in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.

Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte dir folgen, doch manchmal verlässt mich der Mut, wenn ich damit auf Unverständnis stoße. Manchmal folge auch ich dir nicht, wenn du mir ungewohnt entgegentrittst.

Bitte: Jesus, hilf mir, dir treu zu sein, wenn du mein Leben umgestaltest.

1. Staunen öffnet eine Tür. Es kann einem das Herz zerreißen, wenn man betrachtet, wie eng beieinander die Entscheidung für oder gegen den Glauben manchmal liegt. Die Menschen aus Jesu Heimatort kannten ihn, viele von ihnen wohl von Kindheit an. Er war eine Zeit fort gewesen, nun ist er wieder unter ihnen und ein ganz neuer Wesenszug wird an ihm offenbar. Die Menschen staunen! Welche Weisheit ist ihm gegeben, welche Wunder geschehen durch ihn? „Gegeben“ und „geschehen durch“ sind Worte, die irgendwie ausdrücken, dass sie von diesem Zimmermannssohn keine solche Weisheit und keine Wunder erwartet hätten. So weit, so gut! Denn hätten diese Menschen ihr Staunen zugelassen, sich von ihm führen lassen, so hätten sie in Jesus Aspekte entdecken können, die ihm von seiner Gottheit zuflossen, gegeben waren, und die sich ihnen durch den Menschen Jesus, den sie schon ganz zu kennen meinten, kundtaten. Sie hätten Zugang zur ewige Wahrheit gefunden, die ihnen zugedacht war zu ihrem Heil. Jesus wollte ihnen die Frohe Botschaft bringen, er kam mit weit offenem Herzen zu ihnen. Ihr Staunen über die neuen Aspekte an seiner Persönlichkeit hätte ihnen eine Tür zu dem von ihm angebotenen Heil öffnen können.

2. Fertige Urteile verschließen die Tür. Doch um die Wahrheit schlechthin in Jesus zu entdecken, hätten sie ihr eigenes Wissen, ihre eigenen Rechtfertigungen und Urteile revidieren müssen. Intuitiv müssen diese Menschen gespürt haben, das ihnen hier in Jesus „etwas“ entgegentrat, was ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen drohte. Dazu Ja zu sagen, hätte viel Demut erfordert. Doch sie wollen die Tür, die sich ihnen durch ihr Staunen öffnete, nicht durchschreiten. Man kennt schon, man weiß schon, man urteilt: Was wir hören und sehen, kann nicht sein, denn wir wissen ja schon, wer dieser Jesus ist! „Und sie nahmen Anstoß und lehnten ihn ab.“ Die Tür, die gerade durch ihr Staunen geöffnet worden war, fällt zu, ja wird geradezu zugestoßen. Der Einbruch des Heils in ihr Dasein, der sich ereignen sollte, zerschlägt an den steinernen Mauern ihrer fertigen Urteile, ihrer eigenen Sicherheiten. Welche Tragik, welcher Schmerz – der Moment der Gnade zieht vorüber.

3. â€žIch fürchte Jesus, der vorüberzieht und nicht mehr zurückkehrt“ (hl. Augustinus). Wer Jesus ernsthaft nachfolgt, kennt die Erfahrung der Ablehnung, auch vonseiten nahestehender Menschen: „Nun bleib mal vernünftig, musst nicht gleich übertreiben, meinst wohl, was Besseres zu sein.“ Es war für Jesus ein großer Schmerz, sich mit eng verbundenen Menschen über das Kostbarste nicht austauschen zu können Doch er hat diesen Schmerz ausgekostet, und darin bin ich mit ihm dann vereint! Sollen wir es wagen, Jesu Schmerz noch tiefer zu ergründen? Papst Franziskus hat ihn am 17. November in seiner Predigt in Santa Martha so begründet: „Das ist es, was dem Herzen Jesu Christi Schmerz zufügt, diese Geschichte der Untreue, diese Geschichte, die Liebkosungen Gottes nicht erkannt zu haben, die Liebe Gottes, eines verliebten Gottes, der dich sucht, der danach trachtet, dass auch du glücklich bist.“ Lehne nicht auch ich oft die Weise ab, in der sich Jesus mir zeigen will? Wenn er in einem Menschen zu mir kommt, der mir unsympathisch ist, oder in der Veränderung von lieb gewonnenen Lebensumständen, die mir Sicherheit gaben?

Gespräch mit Christus: Jesus, manchmal ist in mir Widerwillen, manchmal habe ich Angst vor dem Opfer, das mit deiner Nachfolge verbunden ist. Manchmal erschrecke ich über die Weise, wie du mir entgegentrittst, manchmal übersehe ich deine Nähe ganz. Hilf mir, wenn eingefahrene Gewohnheiten mich davon abhalten, dich in deiner Schönheit und Größe zu erkennen und mich auf sie einzulassen.

Möglicher Vorsatz: Ich will mich mehr bemühen, Jesu Gegenwart in meinem Leben zu entdecken. Dazu will ich meinem Tagesrückblick am Abend wieder mehr Aufmerksamkeit schenken.


An Gott und sein Reich verschwendet

2. Februar 2017

Fest der Darstellung des Herrn (Lichtmess)
Hl. Dietrich, Bischof
Hl. Markward, Bischof
Hl. Alfred Delp SJ, Märtyrer

Angelika Knauf

Lk 2,22-40
Es kam für die Eltern Jesu der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen, gemäß dem Gesetz des Herrn, in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe. Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten:

Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, dass du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.Damals lebte auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth zurück. Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit und seine Gnade ruhte auf ihm.

Einführendes Gebet: Jesus, ich danke dir und preise dich für das Geschenk des gottgeweihten Lebens! Menschen, die dir ihr ganzes Sein und Leben weihen, sind Zeichen der Hoffnung. Und du willst sie uns schenken. In ihnen lässt du uns immer wieder neu deine liebende Zuwendung erfahren und verheißt sie uns.

Bitte: Lass mich auch für mein eigenes Leben tiefer verstehen, was es bedeutet, etwas oder sich ganz dir geweiht zu haben.

1. Ganz hingegeben. Die Kirche feiert heute den Tag des gottgeweihten Lebens und dies ist ihr Anlass zu Freude und Dankbarkeit und auch zur Bitte an Gott um dieses Geschenk. Kürzlich meinten in einem Gespräch, das ich mitverfolgte, zwei gläubige Frauen, dass der Begriff „gottgeweiht“ heutzutage kaum mehr zu vermitteln sei. Wolle man z.B. sagen, was eine gottgeweihte Frau im Regnum Christi ist, spreche man besser von „so etwas wie einer Nonne in der Welt“. Etwas Gott weihen meint, es freiwillig, aus Dankbarkeit und Liebe dem eigenen Gebrauch und der eigenen Verfügungsgewalt vollständig zu entziehen, es Gott vollkommen hinzugeben. Etwas, das Gott geweiht wurde, bleibt ihm allein vorbehalten. So hatte die Darbringung Jesu im Tempel für Maria und Josef eine weit tiefere Bedeutung als nur die Erfüllung einer religiösen Vorschrift. Indem sie Jesus, den Sohn Gottes, dem Vater weihen, unterstellen auch sie sich ausdrücklich dem Willen Gottes in Bezug auf die Sendung dieses Kindes. Beide, Josef und Maria, hatten zu diesem Kind sicher auch schon eine innige menschliche Beziehung entwickelt. Jesus Gott zu weihen, hat also für sie auch schon den Aspekt eines Opfers. Vielleicht ist es gerade dieser Aspekt – also, dass man etwas oder jemanden, den man liebgewonnen hat, Gott überlässt –, der es dem heutigen Menschen so schwermacht, einen Zugang zum Begriff „gottgeweiht“ zu finden. Der Gedanke, einem Gott etwas weihen oder gar opfern zu sollen, scheint aus allzu archaischen Zeiten zu stammen, als man Göttern noch opfern musste, um sie sich gewogen zu halten.

2. Den Gott lobpreisen, der uns liebt. Doch welchem Gott opfern Maria und Josef? Und wen opfern sie? Sie weihen das Kind Jesus, den Sohn Gottes, seinem himmlischen Vater, der sich gerade in diesem Kind den Menschen auf vollkommene Weise zugewandt und geschenkt hat. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“, so hatte es der Engel des Herrn den Hirten und damit allen Menschen auf den Feldern von Bethlehem verkündet (Lk 2,11). Staunen und große Freude hatte diese Botschaft ausgelöst, und große Freude löst das Erscheinen Jesu überall dort aus, wo Herzen voller Vertrauen und Erwartung offen sind für Gottes rettende Verheißung. Simeon und Hanna hatten ein solch offenes Herz. Sie lebten seit vielen Jahren ganz auf Gott ausgerichtet, erst dadurch konnten sie auch seine Verheißungen und deren Erfüllung in Jesus wahrnehmen. Und ihre Herzen brechen über dieses Kind in Freude und Lobpreis aus! Hier ist im tiefsten Sinne ausgedrückt, was gottgeweihtes Leben bedeutet: Sich Gott vollkommen öffnen und übergeben im Vertrauen auf die Verheißung seiner Liebe; die Erfüllung dieser Verheißung allein von Gott zu erwarten; die Fülle, die er schenkt, zu preisen, zu verkünden und weiter zu schenken. In diesem Sinn ist gottgeweihtes Leben prophetisch, denn es ist ein Zeichen dessen, wofür jeder Einzelne letztlich geschaffen ist: Einheit mit Gott in der Fülle seiner Liebe!

3. Das Schwert, das die Seele durchdringt. Doch wer gottgeweiht in dieser Welt lebt, der wird auch empfindsamer für die Gottferne vieler Menschen, ja für ihren Widerstand gegen die Herrschaft der Liebe Gottes. Gottgeweihtes Leben ist mitten hineingestellt in das Drama der Erlösung, das sich zwischen dem Angebot der Liebe Gottes und der Freiheit des Menschen abspielt, der dieses Angebot auch ausschlagen kann. Das Innerste des Menschen ist durch die Sünde „unheil“ geworden, weil Sünde Absonderung von Gott bedeutet. Um diese Trennung von Gott zu überwinden, ist ein Heilungsprozess erforderlich, den der Mensch nicht alleine vollziehen kann. Er benötigt dazu Gottes Nähe. Er bedarf ihrer von seinem Wesen her, weil es für die Einheit mit Gott geschaffen ist („die letzte Berufung des Menschen ist die göttliche“ GS 22). Abgesondert von Gott verliert der Mensch die Wahrnehmung für seine Bedürftigkeit, seine für die Liebe bestimmte Freiheit kann sich in Autarkie, in eine im wahrsten Sinne des Wortes unheilvolle Selbstgenügsamkeit, in ein Zerrbild verwandeln. Selbstgenügsamkeit aber gebiert Widerstand gegen jeden, der eine wahre Beziehung sucht. Maria, die am meisten von allen Menschen Gott hingegeben war, durchdringt die Ablehnung, die Jesus unter den Menschen erfährt, wie ein Schwert. Sie trifft ihre Seele, die Gott ganz verbunden war. Und dieses Schwert dringt im Laufe der Zeit auch immer tiefer in ihr Herz, weil ihr Sohn sich immer mehr in die Sendung des Vaters stellt. Auch von ihr wird verlangt werden, dass sie ihn dem Vater am Kreuz wieder ganz opfert. Sich auf Erden Gott zu weihen, bedeutet eigentlich, die Fülle der gekreuzigten Liebe zu erfahren. Das Kreuz Christi war aus der Sicht der Welt verschwendete Liebe. Sich freiwillig an Gottes Liebe zu verschwenden, ist aber aus der Sicht des Glaubens der Weg zu ganzer Fülle.

Gespräch mit Christus: Jesus, deine Liebe ist ein unerschöpfliches Geheimnis. Die Erfahrung deiner Liebe vermag mein Herz manchmal zu sprengen und dabei zu weiten, manchmal aber auch zu zerreißen. Fülle und Leid liegen oft so nah beieinander. Jesus, halte mich in deiner Liebe, auch wenn sie meine Seele zum Heil wie ein Schwert durchdringt.

Möglicher Vorsatz: Was verursacht mir gerade das größte Leid? Genau dort will ich, wie Maria, nach der Verheißung deiner Liebe suchen, Jesus!


Ganz unten sein – und Jesus finden

3. Februar 2017

Freitag der vierten Woche im Jahreskreis
Hl. Blasius, Bischof
Hl. Ansgar, Bischof
Alojs Andritzki, Märtyrer

Angelika Knauf

Mk 6,14-29
In jener Zeit hörte der König Herodes von Jesus; denn sein Name war bekannt geworden, und man sagte: Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden; deshalb wirken solche Kräfte in ihm. Andere sagten: Er ist Elija. Wieder andere: Er ist ein Prophet, wie einer von den alten Propheten. Als aber Herodes von ihm hörte, sagte er: Johannes, den ich enthaupten ließ, ist auferstanden. Herodes hatte nämlich Johannes festnehmen und ins Gefängnis werfen lassen. Schuld daran war Herodias, die Frau seines Bruders Philippus, die er geheiratet hatte. Denn Johannes hatte zu Herodes gesagt: Du hattest nicht das Recht, die Frau deines Bruders zur Frau zu nehmen. Herodias verzieh ihm das nicht und wollte ihn töten lassen. Sie konnte ihren Plan aber nicht durchsetzen, denn Herodes fürchtete sich vor Johannes, weil er wusste, dass dieser ein gerechter und heiliger Mann war. Darum schützte er ihn. Sooft er mit ihm sprach, wurde er unruhig und ratlos, und doch hörte er ihm gern zu. Eines Tages ergab sich für Herodias eine günstige Gelegenheit. An seinem Geburtstag lud Herodes seine Hofbeamten und Offiziere zusammen mit den vornehmsten Bürgern von Galiläa zu einem Festmahl ein. Da kam die Tochter der Herodias und tanzte, und sie gefiel dem Herodes und seinen Gästen so sehr, dass der König zu ihr sagte: Wünsch dir, was du willst; ich werde es dir geben. Er schwor ihr sogar: Was du auch von mir verlangst, ich will es dir geben, und wenn es die Hälfte meines Reiches wäre. Sie ging hinaus und fragte ihre Mutter: Was soll ich mir wünschen? Herodias antwortete: Den Kopf des Täufers Johannes. Da lief das Mädchen zum König hinein und sagte: Ich will, dass du mir sofort auf einer Schale den Kopf des Täufers Johannes bringen lässt. Da wurde der König sehr traurig, aber weil er vor allen Gästen einen Schwur geleistet hatte, wollte er ihren Wunsch nicht ablehnen. Deshalb befahl er einem Scharfrichter, sofort ins Gefängnis zu gehen und den Kopf des Täufers herzubringen. Der Scharfrichter ging und enthauptete Johannes. Dann brachte er den Kopf auf einer Schale, gab ihn dem Mädchen, und das Mädchen gab ihn seiner Mutter. Als die Jünger des Johannes das hörten, kamen sie, holten seinen Leichnam und legten ihn in ein Grab.

Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte deine Liebe in ihrer ganzen Größe und Wahrheit erkennen und anbeten. Ich möchte erkennen, wer du für mich bist und wer ich vor dir bin.

Bitte: Jesus, ich bitte dich um den Mut und die Liebe, dir meine nur vermeintliche Größe ganz hinzugeben. Wachse du in mir, o Herr!

1. Größe in Gott. Gestern haben wir die Weissagung des Simeon an Maria gehört, dass ihr ein Schwert durch die Seele dringen werde. Simeon sagte dies, nachdem er ihr die Größe ihres Kindes mit nie zuvor gehörten Worten prophetisch beschrieben hatte. Heute wird uns der schmachvolle Tod Johannes des Täufers geschildert, von dem Jesus gesagt hatte: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ (Mt 11,11) Betrachten wir diese Bibelstelle ganz aus der Sicht des Johannes. Er ist möglicherweise der, dessen Leben und Existenz nach Maria am engsten mit der Menschwerdung des Gottessohnes verbunden war. Als dem letzten Propheten des Alten Bundes war es ihm beschieden, das Kommen des Messias zu verkünden und sogar auf ihn zu zeigen. Johannes hat sich von dieser Sendung schon im Mutterschoß und dann auch während seines ganzen, aus jedem menschlichen Rahmen fallenden Lebens vollkommen ergreifen lassen. Er ist zu einer Größe gelangt wie kein Mensch vor ihm, weil er jede Gesetzmäßigkeit, die nur menschlichem Kalkül entstammte, hinter sich gelassen hatte. Er nahm weder Rücksicht auf sich selbst, noch kannte er irgendeine Menschenfurcht.

2. Der Abstieg in die Schwäche. Doch den Kerker erfährt Johannes anscheinend nicht nur äußerlich als einen tiefen und dunklen Abgrund. Vielleicht veranlasste ihn der Widerstand seiner Jünger gegenüber seiner Weisung, Jesus nachzufolgen - „Seht das Lamm Gottes!“(Joh. 1,29) - dazu, sie mit einer Frage zu Jesus zu schicken, die sein vorheriges Zeugnis über Jesus in Zweifel ziehen könnte: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ (Mt. 11,3) Die Umstände seiner Enthauptung schließlich könnte man sich kaum demütigender vorstellen. Angestiftet durch den Neid und die Gier einer Ehebrecherin, unter dem Bann der erotischen Verführungskraft eines jungen und frivolen Mädchens, lässt ein schwacher Herodes, dessen Herz durch die Worte des Johannes für die Wahrheit doch schon aufzubrechen begann, ihn eilig enthaupten. Die Tat selbst geschieht im Geheimen, keine öffentliche Hinrichtung, die vielleicht noch zu einem beeindruckenden Zeugnis dieses Propheten hätte führen können. Johannes wird äußerlich in jeder Weise beschämt und so muss er in die Dunkelheit des Todes hinabsteigen.

3. Wahrhaft groß geworden in Jesus Christus. Johannes‘ einsamer Tod scheint ein übles Ende zu sein für den größten unter den von einer Frau Geborenen. Doch Jesus hatte ja hinzugefügt: „(…) doch der kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ Johannes ist nicht nur der letzte Prophet des Alten Bundes, sondern auch einer der ersten Zeugen des Neuen Bundes, der in Jesus Christus beginnt. Der Neue Bund offenbart einen Gott, der die Menschen so liebt, dass er sich seiner Größe entäußert, Mensch wird wie wir und für die Menschheit einen grausamen und schmachvollen Sühnetod stirbt. Johannes war nicht nur der Vorläufer Jesu, der sein öffentliches Wirken anbahnte, als die Stimme in der Wüste, die ihm den Weg bereitete. Johannes geht Jesus auch in seinem Tod voraus. „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh 3,30). Johannes war seinen eigenen Worten vollkommen treu und sicher ist er dadurch auch einer der ersten im Himmel geworden, und damit größer als er es je zuvor war. Wenn Jesus in uns wachsen soll, dann müssen auch wir uns in den Kerker unserer Schwäche führen lassen, wo unser alter Mensch sterben wird. Dadurch wird unser neuer Mensch in Christus zu einem Leben und einer Größe auferstehen, die kein menschliches Gesetz, kein menschlicher Maßstab mehr zu fassen vermag.

Gespräch mit Christus: Jesus, ich weiß um die Tugend der Demut. Doch wenn ich mich elend und klein fühle, widerstrebt mir dieser Zustand so sehr. Hilf mir zu erkennen, dass gerade die Momente, in denen ich schwach bin, Momente der Begegnung mit dir sind. Du willst mich aufrichten und mir zu wahrer Größe verhelfen, doch dazu bedarfst du meines Eingeständnisses, dass ich schwach bin. Gib mir das Vertrauen, mich von dir in meine Schwäche führen zu lassen, damit du in mir stark wirst.

Möglicher Vorsatz: Ich werde heute zu Jesus gehen, gleich wie mir zumute ist, und seinen liebenden Blick auf mir ruhen lassen.


Herr, sende Arbeiter in deine Ernte!

4. Februar 2017

Samstag der vierten Woche im Jahreskreis
Hl. Veronika

Angelika Knauf

Mk 6,30-34
In jener Zeit versammelten sich die Apostel, die Jesus ausgesandt hatte, wieder bei ihm und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren, und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an. Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.

Einführendes Gebet:  Jesus, ich suche dein Angesicht! Ich möchte dich schauen und dich wahrhaft erkennen. Ich möchte dir jetzt begegnen und bei dir bleiben.

Bitte: Jesus, offenbare mir dein Antlitz, deinen Blick, mit dem du mich bis in die innerste Tiefe meines Seins suchst.

1.  Hirten nach dem Herzen Jesu. Jesus hatte die Zwölf in seinem Namen ausgesandt, damit sie seine Botschaft verkünden und die Menschen zur Umkehr zu Gott aufrufen. In dieser Vollmacht hatten die Jünger auch Dämonen ausgetrieben und Kranke geheilt. Nun sammelt er sie wieder um sich und ruft sie in die Intimität mit ihm „an einen einsamen Ort, wo wir allein sind“. Wen Jesus beauftragt, sein Wort zu verkünden, den beruft er auch dazu, an seinem Herzen zu ruhen, ihn immer tiefer kennen und lieben zu lernen. Jeder von uns braucht diese intimen Momente mit dem Herrn, um sein Jünger sein zu können. Am dringendsten aber brauchen sie jene, durch die er sich den Menschen immer neu schenken will: seine Priester. Ich suche doch die Liebe Jesu… Ist mir bewusst, dass „das Priestertum die Liebe des Herzens Jesu ist“, wie der heilige Pfarrer von Ars sagt? Suche ich Jesus im Dienst und in der Person des Priesters, mehr noch: in den Sakramenten, die nur ein Priester spenden kann? Bete ich für meinen Seelsorger, dass er in der Intimität mit Jesus Ruhe findet?

2. Sehnsucht nach heiligen Priestern. Die Menschen nehmen große Mühen auf sich, um Jesus und seinen Jüngern zu begegnen: „sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.“ Die Sehnsucht nach dem Heil, das sie von Jesus erhoffen, treibt sie an. Auch wenn diese Sehnsucht vielleicht in manchen noch nicht geläutert ist, erkennen sie doch, dass sie das Heil aus eigener Kraft nicht erlangen können. Treibt mich die Sehnsucht nach dem Heil dazu an, solche Mühen auf mich zu nehmen? Zu der Mühe, einen Priester zu suchen und um Hilfe zu bitten, um Jesus zu finden? Habe ich Vertrauen, dass ich Jesus finden werde, wenn ich ihn im sakramentalen und seelsorgerischen Dienst eines Priesters suche? Bitte ich Jesus, mir durch seine Priester zu begegnen und mich zu leiten? Bete ich, auch in Gemeinschaft mit anderen, darum, dass Jesus uns wieder mehr Priesterberufungen schenkt? „Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte auszusenden.“ (Lk 10,2)

3. Der Herr wird sich erbarmen. Jesus hatte fest vor, sich mit seinen Jüngern in die Einsamkeit zurückzuziehen. Aber die Not der Menschen erfüllt sein priesterliches Herz mit Erbarmen, „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Jesus kennt mich besser als ich selbst. Er weiß, wie schwer ich es auf meinem Weg zu ihm ohne die Begleitung eines Seelsorgers habe. Er will mich durch ihn lehren. Ja, aber warum sendet er dann nicht Seelsorger in ausreichender Zahl? Warum haben wir keinen Pfarrer mehr? Warum finde ich keinen geistlichen Begleiter? Steht vor all diesen Fragen nicht zuvor die Frage, was ich zu tun bereit bin, um diese Not zu wenden? Bete ich ausdauernd um einen Seelsorger? Bitte ich den Herrn um Arbeiter für seine Ernte? Schätze ich den Dienst des Priesters? Ermutige ich junge Leute, die eine Berufung spüren? Schaffe ich in meiner Pfarrei, in meiner geistlichen Gemeinschaft, in meiner Familie eine Atmosphäre, in die hinein Gott rufen kann, aus der heraus er berufen darf? Liebe folgt dem Gesetz des Dialogs. Wenn das Priestertum die Liebe des Herzens Jesu ist, dann darf ich an Jesu Herz mit der Liebe meines Herzens rütteln, um ihn darum zu bitten, unter uns durch heilige Priester gegenwärtig zu sein. Wenn ich ihn beharrlich und vielleicht auch unter Opfern bitte, wird er Erbarmen haben: „Und er lehrte sie lange.“

Gespräch mit Christus: Jesus, der heiligen Veronika, derer wir heute gedenken, weil sie sich ohne Furcht einen Weg durch die feindliche Menge zu dir bahnte, hast du dein Angesicht offenbart. Unsere Zeit schätzt das Priestertum oft nicht mehr. Stärke mich auf die Fürsprache der heiligen Veronika, damit ich dich furchtlos suche und dich darum bitte, uns dein liebendes Antlitz in heiligen Priestern zu offenbaren.

Möglicher Vorsatz: Ich werde heute Jesus bitten, Arbeiter in seine Ernte zu senden und uns Berufungen zum Priestertum zu schenken. Auch werde ich heute für meinen Seelsorger beten.